Bad Ischl war bis in die 30er Jahre ein Zentrum der europäischen Operettenszene. Hier wurden populäre, politische, lustvoll-bösartige Formen des Musiktheaters entworfen, komplexe Stücke voller Abgründe und Gelächter, bis dieses reiche und lebendige Biotop vom Nationalsozialismus zerstört wurde. In Kooperation mit dem Lehárfestival und der Universität Mozarteum Salzburg wollen wir diese einmalige Tradition wiederaufleben lassen und mit zeitgenössischen Inhalten füllen. In einem Wettbewerb werden drei 20-minütige Kurz-Operetten junger Komponist*innen und Librettist*innen gekürt und im Rahmen des Lehárfestivals uraufgeführt.
Die Gewinner-Projekte
“The Bat Bomb“
Komposition: Alexander R. Schweiß
Libretto: Lena Reißner
Dirigent: Ruben Hawer
Regie: Victor Osterloh
Bühnen- und Kostümbild:
Sophia Esterer, Lena Matterne und Therese Rosenauer
Solisten*innen:
Xiaofei Liu (Doctor Adams)
Nicholas Malakul (Bat Expert & Patient)
Mantas Gracevicius (Pilot & Mrs Roosevelt)
Volodymyr Morozov (Chemist & Mr. Roosevelt)
Taesung Kim (Cover Doctor Adams)
Fledermäuse als Bomben, ein Zahnarzt mit einem irrwitzigen Plan und ein geheimes Militärgelände: Basierend auf einer wahren Begebenheit verfolgt „The Bat Bomb” den ungewöhnlichen Plan von Lytle S. Adams, der nach dem Angriff auf Pearl Harbor dem Präsidenten in einem Brief vorschlägt, Fledermäuse als lebende Brandbomben einzusetzen. Die Zustimmung Roosevelts führt zur Einrichtung eines Militärgeländes in New Mexico und zur Bildung des Teams “X-Ray” unter der Leitung von Doc. Adams: Zahnarzt, Erfinder und Patriot. Im Mai 1942 testet das Team die mit selbstauslösenden Brandbomben ausgestatteten, gekühlten Fledermäuse. Doch das skurrile Unterfangen nimmt eine unerwartete Wendung, als einige der Fledermäuse aus ihrer Kälteruhe erwachen und davonfliegen.
„The Bat Bomb” wagt einen humorvollen Blick auf eine wahnwitzige Erfindung und ihre historischen Umstände. Die massenhafte Hingabe der amerikanischen Bevölkerung bietet einen eigenartigen Einblick in die Dynamik des Kriegspatriotismus. Angesteckt von blindem Hass entwickelt ein Volk absurde Ideen, ohne Rücksicht auf Verluste.
“GOLDAUSTRUD’L oder `Die sch(t)rumpfende Stadt'”
nach dem Libretto “Die schrumpfende Stadt”
Komposition: Tanja Elisa Glinsner
Libretto: Lea Willeke
Dirigentin: Dou Huang
Regie: Jakob Schulte und Sofiia Nimak
Bühnen- und Kostümbild:
Caroline Ulmar, Christina Winkle
Solist*innen:
Anja Rechberger (Annemarie)
Chinatsu Hatano (Mariane)
Dares Hutawattana (Anton Mayer)
Neelam Brader (Anneliese Mayer)
Die schrumpfende Stadt erzählt von einem Urlaubsort, dessen Bewohner mit den absurden Auswirkungen einer mysteriösen Substanz konfrontiert sind: Ihre kleine Stadt schrumpft! Der Alltag gestaltet sich zunehmend skurril – und die Bewohner fragen sich: Wo kommt die Substanz her? Was will sie uns sagen? Und vor allem: Wie werden wir sie wieder los?
Menschen, die sich bislang nicht einmal gegenseitig zugehört haben, müssen nun gemeinsam am gleichen Strang ziehen. Das alles läuft nicht ohne Humor, und mit (anspielungsreicher) Musik geht sowieso alles besser!
“L’écosystème humain?“
Komposition: Fernando Strasnoy
Libretto: Giuliana Kiersz
Regie: Calixto María Schmutter
Dirigent: Félix Marest
Bühnen- und Kostümbild:
Simon Huber, Valentina Vorwahlner, Emilie Wünsch
Solist*innen:
Emma Kindinger (The Third Politician)
Julia K. Schneider (Another Politician)
Ívan Sánchez Águila (A Politician)
Xiaofei Liu (The Last Politician)
“L’écosystème humain?” ist eine Operette, die die Diskurse der derzeit wachsenden rechtsextremen Bewegungen in Europa aus einer dekolonisierenden lateinamerikanischen Perspektive analysiert. Die Operette vereint Elemente der Soziologie, Mikronarrative, Humor, Kritik und die potenzielle Verschmelzung von Text und musikalischer Komposition, wodurch ein dritter Ausdrucksbegriff entsteht. Basierend auf dem Konzept des “Nano” als kompositorische Achse, einem minimalen Fugenpunkt mit großer Komplexität, streben wir eine Dramaturgie, Szenografie und Musik an, die auf mehreren Dualitäten basieren. Das Libretto wird Ausschnitte aus Reden rechtsextremer Bewegungen in ganz Europa zitieren, um die Gewalt und Paradoxie ihrer Narrative aufzuzeigen. Angesichts des weltweiten Wachstums rechtsextremer Bewegungen ist es unserer Meinung nach von entscheidender Bedeutung, politische Diskurse zu reflektieren, um zu verstehen, welche politische Richtung wir einschlagen, warum und wie wir ihnen entgegentreten können – sowohl durch Konstruktion als auch Dekonstruktion von Diskursen. Das Genre “Operette” bietet uns die Möglichkeit, die potenziellen “menschlichen Ökosysteme”, die wir schaffen, zu erforschen, zu parodieren und immer wieder zu hinterfragen, um mögliche künstlerische Antworten zu entwickeln.
Die Jury
Elisabeth Gutjahr (Rektorin – Universität Mozarteum)
Christoph Lepschy (Univ.-Prof. für Dramaturgie – Universität Mozarteum)
Magdalena Hoisbauer (Dramaturgin Volksoper Wien)
Thomas Enzinger (Intendant – Lehár Festival Bad Ischl)
Angela Schweiger (Regisseurin – Lehár Festival Bad Ischl)
Alexander Charim (Regisseur – Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024)
Team
Folgende Lehrende der Universität haben die Studierenden unterstützt:
Gerhard Mayer, Mignon Ritter (Bühnenbild, Kostüme)
Frank Max Müller (Regie)
Alexander Drčar (Künstlerische Leitung)
Fernando Araujo (Korrepetition)
Lenka Hebr (Korrepetition)
Andreas Bäuml (Korrepetition & Erstellung Klavierauszüge)